Alle Macht der Super 8
24 Januar 2019

Alle Macht der Super 8
3 Kurzfilmexperimente einer Lehrveranstaltung

von
Bettina Henkel und Marli Pichler (Studienassistenz)
Video II, WS 18/19

Ausstellung Rundgang 2019
Atelierhaus, 2. OG, Mehrzwecksaal
Lehargasse 8
1060 Wien


Alle Macht der Super 8 – Zum Experiment

Als wir, Maria Lisa Pichler als Studienassistentin und ich, in meiner Lehrveranstaltung Video II das Thema Bildgestaltung vorstellten und in der LV-Gruppe begannen darüber nachzudenken, wie wir uns selber zu dem Thema verhalten würden, kam rasch der Wunsch auf, mit analogem Filmmaterial zu drehen. Die Entscheidung fiel auf Super-8-Negativfilm, die Filme sollten in der Kamera „geschnitten“ werden. Jede Einstellung müsste also in Inhalt, Bildausschnitt und Dauer genau am richtigen Platz sein, damit der Film nach der chemischen Filmentwicklung auch „fertig“ ist. Fehler würden sich erst dann zeigen und nicht reparabel sein – wir würden sie also akzeptieren müssen. Wir beschlossen, das Experiment und Wagnis einzugehen. Dann redeten wir über die Performativität, die im Akt des Filmens entstehen würde, in diesem kostbaren Moment, wenn das Filmmaterial belichtet wird. Der Blick durch den Sucher bekäme eine neue Bedeutung, würde eins werden mit dem Bild, würde quasi mit dem Subjekt/Objekt vor der Kamera verschmelzen. Während der Blick auf den LCD-Display in Distanz geschehen würde, würden Filmbild und dessen reale Umgebung simultan erfasst. Auf einmal empfanden wir das als ungeheuer ablenkend. In der Reflexion erstaunte uns, welchen Sicherheitsabstand zum Bild wir freiwillig einnahmen.

Auf der Viennale im Oktober sahen und diskutierten wir gemeinsam vier auswählte Filme unter dem Aspekt der Bildgestaltung – und auf einmal war er da, der Titel, aber auch die Vorgangsweise. Christiana Perschon arbeitete für ihren Film „Sie ist der andere Blick“ so wie wir analog, allerdings auf 16mm. Eine ihrer Protagonistinnen sprach den Slogan der 70er Jahre aus: „Alle Macht der Super 8“. Was früher mit dem Aufkommen der Super 8-Filmkameras und dem Super 8-Material als Selbstermächtigung gegen konventionelle Film- und Fernsehinhalte galt, wurde jetzt für uns zur selbstauferlegten Disziplinierung und zum in Kauf genommenen Kontrollverlust. Die drastisch veränderten äußeren Bedingungen der analogen filmischen Produktionsprozesse machten uns deutlich, mit welchem komfortablen Sicherheitsabstand wir heute arbeiten. Dieser gibt uns eine Vielzahl von Möglichkeiten, das Material zu gestalten. Bildauswahl und -montage erfolgen am Computer, Postproduktion zur Optimierung des editierten Materials – alle Arbeitsprozesse, die nach dem Filmen beginnen, mussten nun vor dem Filmen stattfinden. Doch im Sinne unseres LV-Schwerpunkt der Bildgestaltung erlaubte uns genau dies eine Konzentration aufs Wesentliche, die im Digitalen aufgrund der Möglichkeit, Fehler im Nachhinein „auszubügeln“, schwer zu finden ist. Die Ergebnisse dieser Super 8-Experimente sind in der Ausstellung digital und einmal analog zu sehen. Werden wir daran scheitern oder interessantes Material am Rundgang zeigen, fragten wir uns? Es ist nicht alles ganz nach Plan gelaufen…. Let’s see!

Die einzelnen Arbeiten

Camille
Karoline Kuchar, Lars Kollros, Marina Rebhandl, Pauline Debrichy, Yu Yu
Super 8-Film, 3:15 Min, 2019

Es wird Kaffee gemacht, Wimperntusche aufgetragen, ein Spielzeugauto
gesucht. Das Ei kommt in die Pfanne, das Frühstück steht bald auf dem Tisch. Die Haare werden gebürstet, der eigene Körper prüfend beäugt. Drei Personen beginnen den Tag in einer Wohnung – parallel und ungleichzeitig.

Coffeecups
Katharina Hofmann, Katharina Sieghartsleitner, Melisande Seebald
Super 8-Film, 3:26 Min, 2019

„Do not touch my stuff without asking“ steht auf einem Zettel. Niemand ist da, um die Einhaltung der Anweisung zu überwachen. Wir haben Tassen und die Spuren ihrer Besitzer*innen beobachtet und in aller Stille mit der Kamera aufgezeichnet. Unsere Blicke und die der Kamera haben sie berührt.

The Future is Female
Betül Seyma Küpeli, Clara von Schantz, Dominik Szereday, Julia von Schantz, Robert Jolly
Super 8-Film, 3:10 Min, 2019

Die Protagonist*in betritt einen Raum. Sie trägt eine Brille, eine merkwürdig aussehende Brille. Befindet sie sich auf einer Zeitreise? Sie dreht an der Uhr … und realisiert, dass sich plötzlich die Zeitebenen verschieben. Die Vergangenheit verschmilzt mit der Gegenwart zu einer unbestimmten, dystopischen Zukunft.

Broschüre zur Ausstellung

Installationsansicht, Foto: eSeL