Dokumentation zwischen Historie und Biographie
Präsentation am Rundgang 2010
Ausstellung Video Lounge LeMeridien 2010/2011
Lehrveranstaltung „Video I“ WS 2009/2010
Studienassistenz Nicole Szolga
Die 41-minütige Video-Kompilation, bestehend aus sieben Arbeiten, ist im Dezember und Januar dieses Semesters im Rahmen der Lehrveranstaltung Video I von Bettina Henkel an der Akademie der bildenden Künste Wien im Medienlabor mit Unterstützung Nicole Szolgas entstanden.
Vorgegeben war die thematische Auseinandersetzung mit dem Format einer künstlerisch-filmischen Dokumentation, wobei das Interview im Zentrum des Interesses steht. Begonnen wurde mit dem gemeinsamen Sichten und Analysieren filmischer, bzw. künstlerischer Beispiele verschiedener Dokumentationen die einen historischen Focus im lebensgeschichtlichen Kontext hatten.
Zur Kompilation:
Erinnern
Zu sehen sind sehr persönliche Lösungen, entstanden in gemeinsamer Reflektion und gegenseitig unterstützendem Teamwork, die das Ausgangsthema auf unterschiedliche Art und Weise umsetzten. Zentral waren dabei das Erinnern und die Befragung im familiären Rahmen, was einen Balanceakt zwischen Nähe und Distanz erforderte. Gerade dadurch sind die Arbeiten sehr individuell und bereichern sich gegenseitig.
Der Erinnerungsvorgang als simple Frage im Video von Asli Yilmaztürk nach dem Erinnern eine zufällig gewählten Tages – „Was hast du vor 10 Tagen gemacht?“ – mündete in einer Arbeit über das visualisierte Denken und Zurückholen von Ereignissen die nah und zugleich sehr fern sind. Die Befragten zeigen sich erstaunt und amüsiert über das vergebliche Erinnern, oder angestrengt, buchstäblich händeringend suchend, als ob die Lösung irgendwo im Raum zu finden sei – rechts neben der Kamera vielleicht? Anders die Arbeit von Karoline Hogl, Mario Kiesenhofer, Julia Novacek und Asli Yilmaztürk die nach der Erinnerung eines ganz bestimmten Tags, eines weltweiten Ereignisses fragt. Doch bleibt das Ereignis bis zum Schluss ungeklärt in einem angstbesetzten und bedrohlichen vagen Zustand, ohne direkt genannt zu werden und wird vielleicht zu einem nachdenklich stimmenden universellen Katastrophen-Platzhalter.
Mathias Windelberg fragt in äußerst malerischen und suggestiven Bildern nach Erinnerung an den Wind der vergangenen Wochen und lokale Ereignisse werden einzig nach dem Wetter eingeordnet. Ganz im Gegensatz dazu geht Agnes Prammer in ihrer „Fake-Biography“ vor. Sie bittet eine Freundin (Clara Trischler) ihre eigene Lebensgeschichte aus der Perspektive des Jahres 2047 zu entwerfen und diese vor der Kamera zu erzählen. Gleichzeitig wird diese Geschichte als Interview erneut erzählt. Clara Trischler interviewt nun ihr alter ego, eine entsprechend ältere Frau, die Clara im Jahre 2047 darstellt, in einer merkwürdig künstlichen Umgebung.
Ausgehend von einer Kindheitserinnerung befragt Johannes Grammel seinen Großvater nach eben dieser Erinnerung und fährt darauf hin nach Israel, um der entstanden Spur nachzugehen. Ianina Ilitchevas Mutter hingegen erinnert sich anhand eines Gerichts, welches sie für das Projektteam kocht, an das, was Kochen und Essen in ihrer usbekisch-koreanischen Heimat bedeutet. Das Erinnern an die Zeiten bevor es Licht in Hochneukirchen, nämlich Straßenbeleuchtung, gab, wird im Video von Julia Novacek zu einer Frage des Für und Wider der unfreiwilligen Erhellung der Nacht und letztendlich zu einer Frage von Demokratie.
Die Arbeiten in ihrer Reihenfolge:
Do you remember?
Asli Yilmaztürk
2010, HD-Video, english, 4 min 30 sek
Englisch/English
„Mmmmmm. Did what? Aaand, what was the day? Not so sure. Just nothing maybe. Or, then, so, what else?“
„Mmmmmm. Gemacht was? Uuund, was für ein Tag? Nicht so sicher. Einfach nichts vielleicht. Oder, dann, also, was noch?“
Hochneukirchen
Julia Novacek
2010, HD-Video, 3 min
Deutsch/German
Kürzlich errichtete Straßenlaternen in Hochneukirchen werden von verschiedenen Seiten „beleuchtet“.
Recently raised light poles getting observed.
2047
Agnes Prammer
2010, HD-Video, 5 min 50 sek
Deutsch/German
Im Jahr 2047, reflektiert Filmemacherin und Schriftstellerin Clara Trischler über ihr Leben und Werk.
It’s the year 2047. Filmmaker and writer Clara Trischler reflects about her life and work.
Skizzen
Johannes Grammel
2010, HD-Video, 7 min 55 sek
Deutsch mit englischen Untertitel und Englisch/German with English subtitles and English
„Mehr als 50 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges hatte ich als Kind das Gefühl dass „Jude“ ein Wort ist, das man besser nicht laut aussprechen sollte.
Bis heute kann ich mich an dieses Gefühl erinnern, dem ich in „SKIZZEN“ nachzugehen versuche.
Dazu habe ich meinen Großvater in Österreich und meinen Freund Kali in Israel befragt.
„More than 50 years after the end of the 2nd World War, when I was a child, I connected ‘Jew’ to be a word better not to be said loud.
Until now I can remember this particular feeling, which was the starting point for ‘SKIZZEN’.
Therefore I asked questions to my grandfather in Austria and my friend Kali in Israel.”
Plov
Ianina Ilitcheva
2010, HD-Video, 5 min 50 sek
Deutsch/German
„Meine Mutter kocht.“
„My mother is cooking.“
I was buying trousers
Karoline Hogl, Mario Kiesenhofer, Julia Novacek
Asli Yilmazturk
2010, HD-Video, 4 min 50 sek
Englisch/English
Ein Tag // Ein Ereignis // Vier Personen
One day // An incident // Four people
Wind
Mathias Windelberg
2010, HD-Video, 9 min
Deutsch/German
Der Wind auf Rügen vor der Kulisse Casper David Friedrichs steht im Zentrum der Erinnerung.
The wind on Rügen in front of the scenery of Casper David Friedrich is in focus of memorization.